„Tiere leiden stumm!“ - Diese Aussage ist genauso alt wie auch wahr.

Dennoch gibt es Ausnahmen, denn sowohl Meerschweinchen als auch Kaninchen sind in der Lage, durch akustische Signale wie Zähneknirschen oder andere Lautäußerungen ihre Schmerzen mitzuteilen. In der Regel handelt es sich aber dann schon um ein fortgeschrittenes Stadium.

Die ersten Anzeichen von Unwohlsein oder Schmerzen sind fast immer Inappetenz und/oder Apathie. Dies ist nur nicht immer sofort zu erkennen, beispielsweise wenn das Tier sich gerade im Schlafhäuschen aufhält. Deshalb sind ein paar grundsätzliche Dinge in der Heimtierhaltung an dieser Stelle anzusprechen.

Tier und Käfig regelmäßig kontrollieren

Mindestens 1 -2 mal täglich sollte eine Fütterung/ Kontrolle des Heimtieres und dessen Käfigs vorgenommen werden. Nach Möglichkeit immer zu denselben Tageszeiten und vor allem unter Berücksichtigung der Lebensgewohnheiten der jeweiligen Heimtiere. Einen Hamster tagsüber zu füttern, während er in seinem Häuschen schläft, ist nicht wirklich sinnvoll.

Dabei ist besonders darauf zu achten, ob noch auffällig viel Futter von der letzten Fütterung vorhanden ist.

  • Gibt es Kotballen in gewohnter Menge und üblicher Konsistenz?
  • Ist ungewöhnlich viel Wasser getrunken worden, oder vielleicht gar kein Wasser?
  • Kommt das Tier in gewohnter Weise angestürmt?
  • Quieken die Meerschweinchen bereits beim Öffnen der Kühlschranktür?

Der nächste Blick gilt dem Tier unter Berücksichtigung folgender Aspekte. Heimtiere mit Schmerzen liegen oder sitzen häufig in zusammengekauerter Stellung in einer Ecke oder im Häuschen, andere wiederum liegen sehr flach auf dem Boden und strecken die Hintergliedmaßen nach hinten weg. Sie bewegen sich kaum oder fallen auf durch Unruhe, weil sie häufig ihre Lage verändern. Beim Laufen ziehen sie eventuell die Hinterhand nach.

Ein gesträubtes Fell, sowie weit aufgerissene Augen oder halbgeschlossene Augen sind ein wichtiger Hinweis auf Unwohlsein. Blasse oder blau verfärbte Schleimhäute um Nase und Mund in Verbindung mit einer bei Heimtieren flachen und/oder schnellen Atmung sind ein weiteres ganz wichtiges Symptom - hier handelt es sich bereits um einen Notfall!

Futterverweigerung mit Folgen

Je nachdem wie lang ein solcher Zustand anhält, kommt es früher oder später zur Abmagerung des Tieres. Bereits nach einem Tag der Futterverweigerung kann man eine Abnahme des Körpergewichtes feststellen. Leicht nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass der Magen-Darminhalt eines Zwergkaninchens ca. 20 % des gesamten Körpergewichtes ausmacht.

Daher ist es immer zu empfehlen, in regelmäßigen Abständen (z.B. 1x wöchentlich) das Körpergewicht auch bei gesunden Tieren zu kontrollieren, um Vergleichswerte zu haben.

Bei Schmerzanzeichen zum Tierarzt

In diesem Stadium ist es für den Tierbesitzer oft nicht leicht zu erkennen, was die Ursache der Schmerzen ist. So vielfältig Schmerzen sein können, so vielfältig ist auch die Ursache.

Die Tiermedizin nimmt hier eine grobe Einteilung nach der Lokalisation vor:

  • Schmerzen des Bewegungsapparates
  • Schmerzen der Zähne
  • Schmerzen des Oberbauchs (Magen, Leber)
  • Schmerzen des Unterbauchs (Darm, Blase, Gebärmutter, Eierstöcke)

Fallen dem Tierhalter die oben beschriebenen Schmerzäußerungen auf, sollte noch am selben Tag ein Tierarzt aufgesucht werden. Auch ein Tier, das nur durch Futterverweigerung auffällt, sollte innerhalb eines Tages dem Tierarzt vorgestellt werden, damit schnell eine Lokalisation der Schmerzen erfolgen kann und mit der anschließenden gezielten Therapie begonnen werden kann.

Bei gestörtem Allgemeinbefinden haben zunächst jedoch die nötigen Sofortmaßnahmen zu erfolgen. Zu diesen Sofortmaßnahmen kann beispielsweise die ausreichende Sauerstoffversorgung, eine Infusionstherapie zur Wiederherstellung einer stabilen Kreislaufsituation, die Verabreichung von Notfallmedikamenten oder die Wärmezufuhr bei erniedrigter Körpertemperatur gehören.

Zwangsfütterung als Sofortmaßnahme

Ist das Allgemeinbefinden des Tieres nicht zu sehr gestört, sollte umgehend mit einer Zwangsfütterung begonnen werden. Der Magen von Kaninchen und Meerschweinchen besitzt nur eine hauchdünne Muskelschicht und ist damit kaum in der Lage Mageninhalt durch Eigenkontraktion in den Darm zu überführen. Dadurch kann es sehr schnell zu Stoffwechselentgleisungen kommen.

Die dem Organismus fehlende Energie kann beispielsweise sehr gut durch die Zugabe von Traubenzucker oder Ananassaft zugeführt werden. Zur Zwangsernährung ist spezielles Futter in Pulverform erhältlich, das mit Wasser zu einem Brei angerührt wird (Bild Nr. 1) und mit einer Spritze in die Mundhöhle eingegeben wird.

Etwas unruhige Tiere können hierzu ganz hervorragend in ein Handtuch eingewickelt werden und die Fütterung wird „kinderleicht“ (Bild Nr. 3). Anschließend wird der Konus der Spritze ganz leicht seitlich zwischen die Lippen geschoben und mit sanftem Druck die Zunge etwas heruntergedrückt (Bild Nr. 4). Die Tiere beginnen sofort zu kauen und zu schlucken.

Bild-Anleitung: Zwangsfütterung

fuetterung 01 Fütterung 2 Fütterung 3
Fütterung 4 Fütterung 5 Fütterung 6


Schmerzmittel oft unerlässlich

Die sofortige Gabe von Schmerzmitteln ist oft unerlässlich, um die schnelle Wiederherstellung eines guten Allgemeinbefindens zu erzielen und dadurch das Tier möglichst schnell wieder zum Fressen zu bringen. Schmerzmittel sind als Tropfen, Saft oder als Tabletten erhältlich und in der exakten Dosis dem Tier leicht in die Mundhöhle einzugeben.

Ein gutes Allgemeinbefinden ist eine Grundvoraussetzung für die nun folgenden weiteren Untersuchungen und Maßnahmen und erhöht die Erfolgsrate der Therapie.

Folgende Untersuchungen können nun zur Diagnosestellung nötig sein:

  • Röntgenuntersuchung
  • Ultraschalluntersuchung
  • Blutuntersuchung
  • Endoskopische Untersuchungen
  • Urin-/ Kotuntersuchungen
  • Punktion von Organen etc.

 

Veröffentlicht in Leben mit Tieren 5/2012 (S. 20-21)
Fotos & Text: © www.tierarzt-essen.de